Katalogtext von Gisela Hesse, Kuratorin der Galerie im
Schlosspavillon Ismaning
Anna-Jutta Pietsch ist eine spätberufene Künstlerin. Als Tochter eines
Künstlerehepaars kannte sie den schwierigen Alltag von Künstlern nur zu gut. So wählte
sie trotz entsprechender Begabung solide Studienfächer wie Sprachen, Volkswirtschaft
und Politologie, und in letzterem Fach promovierte sie.
Die Auseinandersetzung mit Kunst begleitete sie ihr ganzes Leben. Sechzehn Jahre
lang leitete sie die offene Akademie und die Aspekte-Galerie der Volkshochschule im
Münchner Gasteig. Seit 1996 widmet sie sich eigener künstlerischer Arbeit, Workshops
und eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin gaben ihr das künstlerische Rüstzeug. Seit
dem Jahr 2000 stellt sie regelmäßig in Galerien, Kunstvereinen und Museen aus. Sie ist
Mitglied des Berufsverbandes Bildender Künstler und der Künstlerinnenvereinigung
GEDOK.
Was veranlasst eine erfolgreiche Kulturmanagerin und politisch engagierte Autorin,
den geraden Weg des Erfolgs zu verlassen und sich in die Unwägbarkeiten eines
Künstlerlebens zu begeben? Die intuitive Welt ihres Elternhauses, die Allgegenwart der
Bilder, die vielen Märchen, die ihr als Kind vorgelesen wurden und die sie sehr geliebt
hatte, haben wahrscheinlich dazu beigetragen, nicht nur die Bereiche des Rationalen
und Intellektuellen zu entwickeln, sondern auch die Fähigkeit, sich einzulassen auf
unbewusste Strömungen des Geistes und der Seele. Mit dieser Hypothese erklärt sich
die Künstlerin ihre Hinwendung zum eigenen künstlerischen Schaffen. Doch mit Intuition
und Fantasie allein ist es nicht getan. Die langjährige Auseinandersetzung mit aktueller
Kunst in der Münchner Aspekte-Galerie übte einen starken Einfluss auf sie aus und
verstärkte ihren Wunsch, selbst kreativ zu werden. Vielleicht waren aber auch die
genaue Kenntnis der unterschiedlichsten Formen der aktuellen Kunst und der geschulte,
kritische Blick auf das Schaffen der anderen Künstler eine Belastung. Es gehört Mut
dazu, als Veranstalterin und Kuratorin von Kunstausstellungen das Lager zu wechseln
und als gestaltende Künstlerin noch einmal einen ganz neuen, geradezu konträren
Lebensabschnitt zu beginnen und dabei den eigenen hohen Qualitätsmaßstäben
gerecht zu werden.